Forschungsschwerpunkte

  • Vormoderne islamische Geistesgeschichte
  • Muslimische Gesellschaften und Kulturen 10. – 16. Jahrhundert
  • Muslimische Moderne
  • Klassische, postklassische und moderne Koranexegese
  • Komparative und interreligiöse Schriftauslegung
  • Sprache und Sprachphilosophie
  • Interdisziplinarität
  • Sprachtheorien in der vormodernen islamischen Geistesgeschichte
  • Sprache und Sprachtheorie in den postformativen Rechtskompendien
  • Rechtsmethodenlehre am Beispiel der Ansätze ar-Rāzīs
  • Korrelation und Schneidepunkte von Rechtsmethodenlehre und Koranexegese
  • Šarḥ- und Ḥāšiya-Literatur der Korankommentare im Besonderen des al-Kaššāf und Anwār at-tanzīl

Dissertation

In seiner Dissertation behandelte Kamil Öktem die interdisziplinären Dynamiken in der vormodernen muslimischen Schriftauslegung mit einem theologisch-skripturalen Schwerpunkt, der sich auf die Sprache und Sprachphilosophie konzentrierte, wie sie in den Schriften des Theologen Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī (gest. 1210) in der postformativen Periode dargestellt sind. Herr Öktem versuchte mit seiner Dissertation insgesamt vier Forschungsdesiderata zu erfüllen:

  1. Die Darlegung der Interdisziplinarität und der Wechselwirkung der einzelnen islamischen Wissenschaften in der vormodernen Koranexegese.
  2. Die Frage nach den Dynamiken einer authentischen Textkritik in den islamischen Wissenschaften, basierend auf den Anforderungen, die ar-Rāzī an die Sprache und die Erkenntniswege der sprachlichen Überlieferung stellte.
  3. Die Untersuchung der epistemologischen Gewissheit (yaqīn) und des apodiktischen Wissens (ʿilm al-qaṭʿī) in der Mentalitätsgeschichte.
  4. Eine ausführliche deutschsprachige Studie über den Theologen ar-Rāzī und seine bis dato wenig beachtete Textauslegung am Beispiel seines Korankommentars at-Tafsīr al-kabīr.

Habilitationsprojekt

Die šarḥ- und ḥāšiya-Literatur der Korankommentare als vernachlässigtes Erbe der Koranexegese unter besonderer Berücksichtigung des al-Kaššāf von Abū l-Qāsim az-Zamaḫšarī (gest. 1144)


In seinem Habilitationsprojekt widmet sich Kamil Öktem einer ausführlichen Analyse der šarḥ- und ḥāšiya-Literatur von Korankommentaren. Die ḥāšiya-Literatur erreicht ihren Höhepunkt mit dem al-Kaššāf von az-Zamašarī und dem Anwār at-tanzīl wa-asrār at-taʾwīl von Qāḍī al-Bayḍāwī (gest. 1286). Auch die in der Geschichte verfassten Werke zu dieser Literatur konzentrieren sich größtenteils auf diese beiden Korankommentare. Die im 8. Jahrhundert begonnenen Kommentare haben die Eigenschaft, einen Grundtext der Koranexegese eingehend zu erklären, zu analysieren, zu kritisieren, zu edieren, zu erwägen und zu vergleichen.

Während dieser Zeit erschienen systematische Kommentare (šarḥ pl. šurūḥ) zum al-Kaššāf. Autoren, die az-Zamaḫšarīs Korankommentar von Anfang bis Ende kommentierten, sind Šaraf ad-Dīn aṭ-Ṭībī (gest. 1342), Faḫr ad-Dīn Çāpardī (gest. 1346), ʿAbd ar-Raḥmān al-Qazwinī (gest. 1345) und al-Fāḍil al-Yamanī (gest. 1349). Weitere Autoren wie Quṭb ad-Dīn ar-Rāzī (gest. 1365), Akmal ad-Dīn al-Bābartī (gest. 1384), Saʿd ad-Dīn at-Taftāzānī (gest. 1390) und Sayyid Šarīf al-Ǧurǧānī (gest. 1413) konzipierten grundlegende Teilkommentare. Der Einflussbereich des al-Kaššāf war so groß, dass sich die Arbeit mit diesem Korankommentar nicht nur auf šarḥ-Werke beschränkte.

Nach der ersten Reifephase der šarḥ-Werke über den al-Kaššāf wurden nun Glossen (ḥāšiya pl. ḥawāšī) zu diesen Werken verfasst. In dieser Zeit wurden gleichzeitig šarḥ-Werke zum Anwār at-tanzīl von al-Bayḍāwī veröffentlicht. Besonders betraf die Aktivität des ḥāšiya-Schrifttums jene Kommentare von at-Taftāzānī und al-Ǧurǧānī, deren šarḥ-Werke von nachfolgenden Autoren als grundlegend angesehen wurden. Die Werke von Ali Kuşçu (gest. 1474), ʿAlāʾ ad-Dīn aṭ-Ṭūsī (gest. 1482), Mawlānāzāda al-Ḫiṭāʾī (gest. 1495), Hatibzade (gest. 1495), Kemalpaşazade (gest. 1534) und Taşköprüzade (gest. 1516) sind die wertvollsten in dieser Literatur. Dadurch, dass sowohl der Kaššāf als auch der Anwār at-tanzīl die am meisten gelesenen Korankommentare an den Hochschulen waren, wurden sie zum Gegenstand einer Kommentarkultur. Zu diesem šarḥ-Schrifttum gehören auch Kommentare über den Madārik at-tanzīl wa-ḥaqāʾiq at-taʾwīl von an-Nasafī. Die in der Osmanenzeit publizierten šarḥ- und ḥāšiya-Werke wurden mittels einer synthetisierenden Methode verfasst. Die Korankommentare von az-Zamaḫšarī, al-Bayḍāwī und an-Nasafī wurden fortan im Vergleich gelesen.

Eine besondere Eigenschaft dieser Literatur ist, dass vorherige šarḥ- und ḥāšiya-Werke als Quelle für spätere dienten. Das hier zusammengefasste Projekt zielt darauf ab, die šarḥ- und ḥāšiya-Literatur unter besonderer Berücksichtigung des al-Kaššāf in drei Arbeitsbereichen zu behandeln und eine Vorbereitung auf ein Langfristvorhaben zu leisten:

  1. Allgemeine historische Entwicklung der Kommentare und Glossen mit besonderem Fokus auf den al-Kaššāf
    1. Erarbeitung der Kaššāf-Literatur
    2. Einteilung und Gliederung der Entwicklungsphasen
  2. Inhaltliche Auswertung der Glossen mit Fokus auf die Entwicklung der Koranexegese. Zusätzlich wird hier die Frage nach dem Einfluss dieser Literaturgattung auf das Verständnis von Korankommentaren beantwortet.
  3. Erschließung der Handschriften der Glossen.

Im Langfristvorhaben ist geplant, einen wichtigen Meilenstein in der Koranexegese und der šarḥ- und ḥāšiya-Literatur zu setzen:

  • Das Edieren eines oder mehrerer bedeutender Kommentare und Glossen.