Islamische Theologie: Islamische Textwissenschaften und ihre Hermeneutik

Islamische Textwissenschaften und ihre Hermeneutik bildet eine essenzielle Kernkomponente der islamischen Theologie und spiegelt eine reiche und komplexe Geistesgeschichte wider. Der Fokus liegt auf den zeitlichen und räumlichen Transformationen dieser Disziplinen, wobei gleichzeitig ihre konstituierenden Prinzipien kritisch hinterfragt werden. Besonderes Augenmerk gilt der Primärquellenforschung sowie der Entstehung und Exegese schriftlicher Quellen. Diese Herangehensweise fördert eine multiperspektivische und tiefgehende Auseinandersetzung mit den zentralen Primärquellen des Islams, namentlich dem Koran und den Hadithen.

Während der Koran und die Hadithe die primären Quellen der islamischen Theologie darstellen, sind auch die Prophetenbiografie (sīra) und die Geschichte der vorislamischen Arabischen Halbinsel unverzichtbare Bestandteile bei der Interpretation dieser Texte. Diese ergänzenden Disziplinen liefern wichtige kontextuelle Informationen und historische Hintergründe, die für eine präzise und umfassende Auslegung der islamischen Primärquellen von entscheidender Bedeutung sind. Die forschungsleitende Methodologie in der systematischen Theologie und Exegese wird maßgeblich durch diese multiperspektivische Analyse geprägt. Die Textwissenschaften des Korans und der Hadithe umfassen curricular die zentralen Arbeitsbereiche der Koranforschung – insbesondere die Genese, Hermeneutik und Exegese des Korans – sowie die Hadithwissenschaften, die vorislamische Arabische Halbinsel und die Prophetenbiografie.

Islamische Textwissenschaften und ihre Hermeneutik fungiert als ein übergeordneter Forschungsbereich, der eine Vielzahl von Teilprojekten, Qualifizierungsschriften sowie die Forschungsarbeiten der Institutsmitglieder umfasst. Geleitet wird dieser Forschungsbereich von Ass.-Prof. Dr. Tuğrul Kurt. In diesem Bereich werden die unterschiedlichen wissenschaftlichen Bemühungen und Arbeiten, die sich mit der kritischen Analyse und Interpretation der islamischen Primärquellen – insbesondere des Korans und der Hadithe – auseinandersetzen, zusammengeführt und strukturiert. Die Einordnung dieser vielfältigen Projekte unter den Oberbegriff Islamische Textwissenschaften und ihre Hermeneutik ermöglicht eine systematische und kohärente Verortung innerhalb der islamisch-theologischen Textwissenschaften, wobei die spezifischen methodischen Ansätze und inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Arbeiten berücksichtigt und weiterentwickelt werden. Durch diese integrative Kategorisierung wird der umfassende Forschungsansatz der Universität Wien im Bereich der islamischen Theologie sichtbar, der sowohl die historische Tiefe als auch die methodische Vielfalt der Disziplinen reflektiert.

/

  • Koran und Exegese (ʿulūm al-Qurʾān und Tafsīr)

    Der Forschungsbereich Koran und Exegese (ʿulūm al-Qurʾān und Tafsīr) an der Universität Wien ist ein zentraler Bestandteil der islamischen Textwissenschaften und ihrer Hermeneutik. Dieser Bereich widmet sich der umfassenden Analyse der Entstehung, Überlieferung und Kanonisierung des Korans. Diese wissenschaftliche Herangehensweise betrachtet den Koran sowohl als sakralen Text als auch als historisches Dokument in seinem sozio-kulturellen Entstehungsrahmen, dessen Rezeption und Interpretation über die Jahrhunderte hinweg kontinuierlich neu bewertet wurde/wird. Die wissenschaftliche Untersuchung konzentriert sich auf die Genese des Textes sowie auf die mündlichen und schriftlichen Überlieferungstraditionen, die ihn geprägt haben. Ein besonderer Fokus liegt auf der historischen Kontextualisierung der frühen islamischen Zeit, die es ermöglicht, den Koran im Licht historisch-kritischer und textwissenschaftlicher Methoden zu analysieren. Darüber hinaus wird die Koranwissenschaft durch eine systematische Erforschung der Struktur, Inhalte und stilistischen Merkmale des Korans charakterisiert. Der Koran wird als literarisches und sprachliches Werk betrachtet, dessen komplexe Bedeutungsstrukturen und rhetorische Techniken im Zentrum der wissenschaftlichen Analyse stehen. Die Koranwissenschaft strebt danach, die innere Kohärenz des Textes, seine thematischen Entwicklungen und seine linguistischen Besonderheiten zu erforschen. Dabei wird auch die Bedeutung der sprachlichen und literarischen Traditionen der vorislamischen Arabischen Halbinsel untersucht, um die stilistische und rhetorische Besonderheit des Korans in ihrem vollen Umfang zu verstehen.

    Ein integraler Bestandteil der Koranforschung ist die Handschriftenforschung, die sich mit der kritischen Analyse von Koranmanuskripten befasst. Diese Forschungsrichtung ermöglicht es, die Überlieferungsgeschichte des Textes präzise nachzuvollziehen und die verschiedenen Stadien der Kanonisierung des Korans zu untersuchen. Die Textkritik, unterstützt durch die Untersuchung von Manuskripten, ist unerlässlich für das Verständnis der textlichen Variationen und für die Authentifizierung der koranischen Überlieferung.

    Die detaillierte Analyse der Koranforschung schafft die Grundlage für den Übergang zur Koranexegese (tafsīr), die sich der systematischen Interpretation des Korans widmet. Im Zentrum dieses Forschungsfeldes steht die Untersuchung der klassischen muslimischen Überlieferungstradition, die eine essenzielle Rolle in der Entwicklung und Fortführung der Exegese spielt. Diese Tradition, die von den frühesten Überlieferungen der Prophetengefährten (ṣaḥāba) bis hin zu den umfangreichen Kommentaren klassischer Gelehrter reicht, wird hier sowohl im historischen als auch methodologischen Kontext intensiv erforscht. Die Koranexegese (tafsīr) ist die Wissenschaft der systematischen Interpretation des Korans. Diese Disziplin hat sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt und umfasst eine Vielzahl hermeneutischer Ansätze und methodologischer Paradigmen. Die historische Entwicklung der Exegese, die von den frühesten Interpretationen bis hin zu modernen Ansätzen reicht, wird intensiv erforscht, um die Vielfalt der tafsīr-Tradition und ihren Einfluss auf die islamische Theologie zu beleuchten. Die Koranexegese wird als dynamischer Prozess verstanden, der im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation steht. Besondere Aufmerksamkeit wird den vielfältigen hermeneutischen Prinzipien gewidmet, die die Auslegung des Korans leiten. Diese Prinzipien reichen von traditionellen methodologischen Ansätzen bis hin zu modernen hermeneutischen Theorien, die das Verhältnis zwischen Text, Kontext und Interpretation untersuchen. Die Vermittlung dieser hermeneutischen Grundlagen ist zentral für die Ausbildung von Theolog*innen, die in der Lage sein sollen, die historische Entwicklung und die systematischen Grundlagen der Koranauslegung kritisch zu hinterfragen.

    Ein weiterer vertiefender Fokus des Forschungsbereichs liegt auf dem Makroumfeld des Korans, das eine umfassende Analyse der kulturellen, religiösen und sozialen Kontexte beinhaltet, in denen der Koran entstanden ist. Diese Forschungsebene erweitert die Untersuchung des Korans über seine innere Struktur hinaus, indem sie die Interaktion des Korans mit den ihn umgebenden Texten und Traditionen betrachtet. Dieser Fokus umfasst die umfassende Analyse der kulturellen, religiösen und sozialen Kontexte, in denen der Koran entstanden ist. Im Zentrum steht die Untersuchung der Inter- und Umwelttexte, die den Koran umgeben und prägen. Diese Texte sind von entscheidender Bedeutung, da sie die vielfältigen intertextuellen Verbindungen des Korans mit anderen religiösen Traditionen, insbesondere dem Judentum und Christentum sowie den vorislamischen Glaubenssystemen der Arabischen Halbinsel, sichtbar machen. Die Erforschung dieser Inter- und Umwelttexte ermöglicht es, den Koran nicht nur als isoliertes religiöses Dokument zu betrachten, sondern als ein Text, der in einem dichten Netz religiöser und kultureller Einflüsse verwoben ist. Diese Herangehensweise betont die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit, insbesondere mit den christlichen und jüdischen Studien sowie den Religionswissenschaften, die an der Universität Wien stark vertreten sind. Die interdisziplinäre Forschung erlaubt es, den Koran in einen breiteren historischen und theologischen Kontext einzuordnen und die dynamischen Wechselwirkungen zwischen dem Islam und anderen religiösen Traditionen zu beleuchten.

    Ein besonderer Fokus innerhalb dieses Forschungsbereichs liegt insbesondere auch auf den isrāʾīliyyāt-Überlieferungen. Diese Erzählungen und Berichte, die ihren Ursprung in jüdischen und christlichen, kanonischen und außer-kanonischen Quellen haben, wurden in die islamische Tradition aufgenommen und spielen eine bedeutende Rolle in der traditionellen Koranexegese (tafsīr). Koranexegeten nutzen die isrāʾīliyyāt-Überlieferungen, um bestimmte koranische Passagen zu erläutern und zu interpretieren, wobei sie auf das reiche Erbe der jüdischen und christlichen Quellen zurückgreifen. Diese Praxis spiegelt die enge Verknüpfung und den wechselseitigen Einfluss zwischen den religiösen Traditionen wider, der in der islamischen Gelehrsamkeit über Jahrhunderte hinweg gepflegt wurde. Die Untersuchung dieser Überlieferungen im Kontext der Koranexegese verdeutlicht die Notwendigkeit, die intertextuellen Verbindungen zwischen den religiösen Traditionen zu verstehen und die islamische Exegese als Teil eines größeren, religionsübergreifenden Diskurses zu betrachten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den christlichen und jüdischen Studien sowie den Religionswissenschaften an der Universität Wien fördert diese umfassende Analyse und trägt dazu bei, ein tieferes Verständnis der koranischen Botschaft und ihrer Einbettung in das kulturelle und religiöse Umfeld der Spätantike zu entwickeln.

    Zusätzlich zu den klassischen und intertextuellen Ansätzen spielen im Forschungsbereich Koran und Exegese auch zeitgenössische Forschungsfelder wie Gender Studies und Koran sowie Diversität und Pluralität im Kontext des Korans eine bedeutende Rolle.

    Der Bereich Gender Studies und Koran untersucht die Rolle des Korans in Bezug auf Geschlecht, Feminismus und Gendergerechtigkeit. Dabei werden sowohl traditionelle als auch moderne, feministisch inspirierte Interpretationsansätze analysiert, um ein tieferes Verständnis der Geschlechterrollen und -beziehungen, wie sie im Koran dargestellt werden, zu gewinnen. Diese Forschung bereichert die islamische Theologie, indem sie die Diskussionen über Gendergerechtigkeit erweitert und dazu beiträgt, neue Perspektiven auf die Rolle von Frauen und Männern im Islam zu entwickeln.

    Ein weiterer zentraler Ansatz in diesem Forschungsbereich ist die Untersuchung von Diversität und Pluralität im Kontext des Korans. Hier wird erforscht, wie der Koran Konzepte von Vielfalt und Pluralität darstellt und wie diese in der islamischen Theologie und Praxis umgesetzt werden. Der Fokus liegt darauf, zu verstehen, wie der Koran den Umgang mit verschiedenen religiösen, ethnischen und kulturellen Gruppen thematisiert und welche Lehren daraus für den interreligiösen Dialog und das Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften gezogen werden können. Ziel ist es, die Prinzipien von Diversität und Pluralität im Licht der koranischen Offenbarung zu analysieren und ihren Beitrag zur Förderung eines harmonischen und respektvollen Zusammenlebens in multikulturellen Gesellschaften zu untersuchen.

    Diese Ansätze ergänzen die traditionelle Koranforschung um wichtige aktuelle Fragestellungen und zeigen die fortwährende Relevanz des Korans in der Auseinandersetzung mit modernen gesellschaftlichen Themen.

  • Hadithwissenschaften (ʿulūm al-ḥadīṯ )

    Die Hadithwissenschaften (ʿulūm al-ḥadīṯ) stellen eine zentrale Disziplin der islamischen Geisteswissenschaften dar und widmen sich der Sammlung, Authentifizierung und systematischen Interpretation der überlieferten Aussagen, Handlungen und Eigenschaften des Propheten Muḥammad. Diese Hadithe bilden neben dem Koran die wichtigste textuelle Grundlage für die islamische Lebensführung und Glaubenspraxis und sind essenziell für das Verständnis der prophetischen Tradition (Sunna), welche eine entscheidende Rolle für die normativen und ethischen Grundlagen des Islams spielt. Die Hadithwissenschaften konzentrieren sich im Kern auf zwei zentrale methodische Bereiche: die Untersuchung der Überlieferungsketten (sanad/isnād) und der Überlieferungstexte (matn). Bei der Analyse der Überlieferungsketten wird die Authentizität der Hadithe durch die Untersuchung der Überlieferer und die Prüfung der Kontinuität der Überlieferungslinie sichergestellt. Dies gewährleistet, dass die prophetischen Traditionen auf verlässliche Weise weitergegeben wurden. Die inhaltliche Bewertung der Überlieferungstexte zielt darauf ab, die Kohärenz und Übereinstimmung der Aussagen mit der prophetischen Verkündigung zu analysieren. Diese methodische Vorgehensweise bildet das Rückgrat der Hadithwissenschaften, da sie es ermöglicht, die Glaubwürdigkeit und theologische Relevanz der Hadithe zu erfassen.

    Die Hadithwissenschaften sind eng mit anderen Disziplinen der islamischen Theologie verknüpft, insbesondere mit der Koranexegese (tafsīr) und der islamischen Rechtswissenschaft (fiqh). Die Hadithe dienen als wichtige Ergänzung zur koranischen Offenbarung und stellen eine maßgebliche Quelle für die islamische Normenlehre und Rechtsprechung dar. Durch diese Verflechtung zwischen Koran, Hadith und fiqh entsteht ein umfassendes theologisches System, das sowohl die rechtlichen als auch die ethischen Dimensionen der islamischen Lehre umspannt. Die systematische Erforschung der Hadithüberlieferungen trägt somit entscheidend zum Verständnis der normativen Ordnung und der Glaubenspraxis im Islam bei.

    Im Rahmen der modernen islamwissenschaftlichen Forschung wird der Hadith nicht nur als theologisches Dokument betrachtet, sondern auch als historisches Zeugnis, das wertvolle Einblicke in die Entstehungszeit des Islams liefert. Die kritische Auseinandersetzung mit der historischen Verlässlichkeit der Hadithe sowie deren sozial-kulturellen Kontexten ist dabei von besonderer Bedeutung. Fragen zur Authentizität der Überlieferungen und zur Funktion des Hadiths als kulturelles und religiöses Erbe werden zunehmend in den Vordergrund der Forschung gerückt. In diesem Zusammenhang erlangt auch die Rezeptionsgeschichte der Hadithe wachsende Bedeutung, die Einblicke in soziale Praktiken, kulturelle Netzwerke und die Legitimationsdiskurse islamischer Gemeinschaften bietet.

    Besonderes Augenmerk liegt im Forschungsbereich Hadithwissenschaften auf der theologischen Untersuchung der Hadithüberlieferungen. Hier wird der Hadith als Glaubenszeugnis und als Quelle der prophetischen Verkündigung im Islam betrachtet. Dieser theologische Ansatz hebt sich von einer rein historischen Herangehensweise ab, indem die Überlieferungsgeschichte des Hadiths im Licht seiner religiösen Bedeutung interpretiert wird. Die prophetische Sunna, die in den Hadithen verankert ist, wird als Vorbild für die islamische Lebensführung betrachtet und ist daher von zentraler Bedeutung für die islamische Theologie.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt der Hadithwissenschaften ist die Auseinandersetzung mit der Historizität und der zeitgemäßen Interpretation der prophetischen Überlieferungen. Während die klassische Hadithwissenschaft sich auf die Sicherung der Authentizität konzentrierte, widmet sich die moderne Forschung verstärkt der Frage, wie diese Überlieferungen im heutigen Kontext interpretiert und angewendet werden können. Hierbei spielen sowohl historische Kritik als auch hermeneutische Ansätze eine Rolle, die darauf abzielen, die Relevanz der Hadithliteratur für gegenwärtige ethische und rechtliche Diskurse zu erörtern.

  • Genese des Islams und Sīra

    Die historische Kontextualisierung der Arabischen Halbinsel vor und während der Zeit des Propheten Muḥammad stellt einen wesentlichen Bestandteil der islamischen Textwissenschaften dar. Die Erforschung der sozialen, politischen und religiösen Gegebenheiten der Region vor dem Islam, die als ǧāhiliyya bekannt ist, bietet entscheidende Einblicke in die Entstehungsbedingungen des Islams und die Entwicklung seiner zentralen Texte. Die Rekonstruktion dieser vorislamischen Zeit gilt in der Forschung als ein bedeutendes Desiderat, da sie tiefere Einsichten in die kulturellen und gesellschaftlichen Transformationen ermöglicht, die mit dem Aufstieg des Islams einhergingen.

    Dank neuer archäologischer Funde und aktueller Forschungsergebnisse eröffnen sich gegenwärtig Chancen, die Epoche der ǧāhiliyya umfassender zu verstehen und neu zu bewerten. Diese Erkenntnisse sind unerlässlich, um die Bedeutung der islamischen Offenbarung in ihrem historischen Kontext vollständig würdigen zu können und die dynamischen Prozesse nachzuvollziehen, die die arabische Gesellschaft und ihre religiösen Vorstellungen vor und während der islamischen Offenbarungszeit prägten.

    Die Prophetenbiografie (sīra) ist eine der bedeutendsten Disziplinen der islamischen Geisteswissenschaften und umfasst die detaillierte Darstellung des Lebens des Propheten Muḥammad. Sie beleuchtet seine Handlungen und Aussagen, die in der islamischen Theologie von normativer Bedeutung sind. Die sīra bietet zudem kontextuelle Hintergrundinformationen durch die Offenbarungsanlässe (asbāb al-nuzūl), die viele koranische Verse erklären. Ein weiterer zentraler Aspekt der sīra ist die Darstellung der Beziehungen des Propheten zu anderen religiösen Gemeinschaften, insbesondere zu Juden und Christen. Diese Interaktionen sind entscheidend für das Verständnis der pluralistischen Dimensionen der frühen islamischen Gemeinschaft und ihrer theologischen Entwicklungen.

  • Kalām und Aqīda

    Der Forschungsbereich Aqīda und Kalām widmet sich der umfassenden Untersuchung der zentralen Glaubensgrundlagen des Islams und deren Verhältnis zu Vernunft und Glauben (Ratio und Fides). Diese Disziplinen stehen im Mittelpunkt der islamischen Theologie und befassen sich mit den essenziellen Glaubensinhalten wie dem Monotheismus (tawhīd), der göttlichen Vorherbestimmung (qadar), der Prophetie (nubuwwa), Eschatologie und der Auferstehung. Im Zentrum dieser Forschung steht die Frage, wie diese Glaubenssätze in Verbindung mit rationalen Überlegungen erklärt und reflektiert werden können.

    Ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt ist dabei die Verbindung von Ratio und Fides, also das Spannungsverhältnis zwischen Vernunft und Glaube. Der Kalām als Disziplin der islamischen Theologie beschäftigt sich intensiv mit der rationalen Durchdringung der Glaubensinhalte, um diese intellektuell zu fundieren und auf argumentative Weise gegen Einwände zu verteidigen. In diesem Kontext wird die Frage untersucht, wie Glaubenswahrheiten durch die Anwendung von Logik und philosophischen Methoden gestärkt werden können, ohne die Essenz des Glaubens zu verlieren. Dies führt zu einer vertieften Auseinandersetzung mit theologischen und metaphysischen Fragen, die sowohl historische als auch zeitgenössische Dimensionen berücksichtigen.

    Ein weiterer zentraler Bereich der Forschung ist die mehrperspektivische Betrachtung der Glaubensgrundlagen. Die Vielfalt der islamischen Theologie zeigt sich in den unterschiedlichen Ansätzen der theologischen Schulen, wie etwa dem Aschʿaritentum, Māturīditentum und der Muʿtazila, die verschiedene Wege beschreiten, um Glaubensinhalte zu interpretieren. Diese Diversität wird im Forschungsbereich Aqīda und Kalām eingehend untersucht, um die unterschiedlichen theologischen und rationalen Ansätze zu verstehen und zu vergleichen. Die Auseinandersetzung mit diesen vielfältigen Denkrichtungen trägt dazu bei, ein umfassenderes Bild der islamischen Glaubenslehre zu entwickeln und ihre Anwendung in verschiedenen historischen und kulturellen Kontexten zu reflektieren.

    Darüber hinaus ist ein wichtiger Forschungsschwerpunkt die Relevanz der Glaubenssätze in der modernen Lebenswirklichkeit. In einer sich ständig wandelnden Welt stellt sich die Frage, wie die klassischen Glaubensinhalte in einen zeitgemäßen Kontext übertragen und in den heutigen gesellschaftlichen Diskurs eingebettet werden können. Der Kalām bietet hierfür eine methodische Grundlage, um den Glauben in der modernen Gesellschaft rational zu verankern, ohne die wesentlichen Lehren der islamischen Tradition zu vernachlässigen. Hier wird untersucht, wie die islamische Theologie auf die Herausforderungen der Gegenwart (siehe Arbeitsbereich Systematische Theologie), wie säkulare Denkweisen, wissenschaftliche Entwicklungen und ethische Fragen, antworten kann.

    Der Forschungsbereich Aqīda und Kalām verbindet somit die tiefgehende Analyse der islamischen Glaubensgrundlagen mit einer rational-theologischen Reflexion. Er berücksichtigt die historische Vielfalt islamischer Theologieschulen, untersucht das Verhältnis von Glaube und Vernunft und trägt dazu bei, die Glaubenslehre des Islams in ihrer Komplexität und Relevanz für die Gegenwart zu erfassen.

  • Usūl al-fiqh

    Der Forschungsbereich uṣūl al-fiqh widmet sich der islamrechtswissenschaftlichen Tradition der muslimischen Gelehrsamkeit und befasst sich insbesondere mit den theoretischen und methodischen Grundlagen der Normableitung im islamischen Recht. Dieser Bereich untersucht die Entstehung und Entwicklung des islamischen Rechts unabhängig von rechtsschulgebundenen Ansätzen und setzt es in den historischen sowie gegenwärtigen Kontext. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Analyse rechtstheoretischer, rechtsmethodischer und rechtsphilosophischer Fragestellungen, die tief in der Tradition der uṣūl al-fiqh verankert sind.

    Mit der Ausdehnung islamisch geprägter Territorien und der Integration persischer und byzantinischer Verwaltungsstrukturen wurde die Gefahr willkürlicher Rechtsmeinungen zunehmend problematisch. Die Entwicklung der uṣūl al-fiqh-Disziplin war eine notwendige Reaktion, um die Normableitung zu systematisieren und methodisch zu fundieren. Diese Disziplin setzt sich mit den Fragen auseinander, welche Quellen für die Ableitung von Normen verwendet werden, welche Normen daraus abgeleitet werden können, wie diese Normen methodisch erschlossen werden und wer die Befugnis zur Ableitung hat. Dabei wird deutlich, dass die uṣūl al-fiqh nicht nur im klassischen Rahmen relevant ist, sondern auch in Bezug auf zeitgenössische Herausforderungen im islamischen Recht von Bedeutung bleibt. Die Frage, wie islamische Normen in modernen Rechtsordnungen anwendbar sind, steht im Mittelpunkt dieser Untersuchungen, ohne dabei die klassischen Methoden zu vernachlässigen.

    Die Erforschung der intradisziplinären Bezüge zeigt die enge Verbindung zwischen der uṣūl-Tradition und anderen Bereichen der islamischen Wissenschaften wie der Koran- und Hadithwissenschaft. Rechtsmethodische Fragestellungen sind tief in der theologischen Reflexion über die Offenbarung und deren Auslegung verankert, was die Notwendigkeit einer interdisziplinären Herangehensweise verdeutlicht. Das islamische Recht wird in diesem Kontext nicht isoliert betrachtet, sondern in einem komplexen Netzwerk theologischer, juristischer und gesellschaftlicher Aspekte verankert.

    Der hermeneutische Zugang zur Normableitung basiert auf den islamischen Primärquellen, dem Koran und der Sunna, die als unerschütterliche Grundlagen für die Ableitung von Normen dienen. Diese Quellen werden nicht nur in ihrer ursprünglichen Bedeutung untersucht, sondern auch im Lichte moderner Entwicklungen analysiert, um die Dynamik des islamischen Rechts in verschiedenen historischen und kulturellen Kontexten zu verstehen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der rechtstheoretischen und rechtsphilosophischen Reflexion, die sich aus der uṣūl al-fiqh-Tradition ergibt. Diese Reflexion beschäftigt sich mit der Rolle der menschlichen Vernunft in der Auslegung der göttlichen Offenbarung und den Bedingungen, unter denen Normen in neuen Kontexten angepasst werden können. Diese Fragen sind entscheidend, um zu verstehen, wie die islamische Rechtswissenschaft auf die sich wandelnden gesellschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen der Gegenwart reagiert, ohne ihre historischen und theologischen Wurzeln zu vernachlässigen.

    Der Forschungsbereich uṣūl al-fiqh bietet eine tiefgehende Analyse der Methodologie der islamischen Rechtsfindung und berücksichtigt dabei sowohl die klassischen Prinzipien als auch die gegenwärtigen Herausforderungen. Damit trägt er zu einem umfassenden Verständnis der Dynamik des islamischen Rechts bei und fördert seine Anwendung in verschiedenen gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten.