Islamische Theologie: Islam in der Gegenwartsgesellschaft und Ideengeschichte d. Islams

Der Forschungsbereich  konzentriert sich auf die transdisziplinäre Interaktion mit gesellschaftlichen Akteur*innen und der breiten Öffentlichkeit, unter besonderer Berücksichtigung der vielfältigen Ausprägungen des Islam. Im Mittelpunkt stehen dabei die Analyse und Reflexion islamischer Identitäten sowie die Untersuchung der Rolle des Islam innerhalb der Gesellschaften weltweit. Unter dem Forschungsbereich "Islam in der Gegenwartsgesellschaft und Ideengeschichte des Islams" werden alle Qualifizierungsarbeiten, Projekte und Forschungen der Institutsmitglieder subsumiert. Dies ermöglicht eine kohärente und interdisziplinäre Herangehensweise an die Erforschung der vielfältigen Herausforderungen und Dynamiken, die den Islam in der heutigen Welt prägen. Durch die Bündelung der wissenschaftlichen Aktivitäten in diesem Forschungsbereich wird eine umfassende und tiefgehende Auseinandersetzung mit den relevanten Themenfeldern gewährleistet, die sowohl historische Perspektiven als auch aktuelle Entwicklungen in den Blick nimmt.

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  • Geschichte der Islamischen Welt

    Die Geschichte der Islamischen Welt bildet einen wichtigen Fokus in der theologischen Beschäftigung mit dem Islam. Dieser Bereich widmet sich einer umfassenden und differenzierten Untersuchung der historischen Entwicklung der islamischen Zivilisation und ihrer weitreichenden Interaktionen mit anderen Kulturen und Zivilisationen. Im Mittelpunkt steht die Analyse des interkulturellen Ideentransfers, der die vielschichtigen Prozesse der Übertragung, Anpassung und Weiterentwicklung islamischer Konzepte in unterschiedlichen kulturellen Kontexten untersucht. Darüber hinaus erforscht dieser Bereich die politischen, sozialen und kulturellen Dynamiken, die die islamische Zivilisation von ihren Anfängen bis in die Moderne hinein geformt haben.

    Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Geschichtsmethodik, in der untersucht wird, welche methodischen Ansätze muslimische Gelehrte im Laufe der Jahrhunderte zur Interpretation und Darstellung der Geschichte entwickelt haben und wie diese Ansätze über die Jahrhunderte hinweg rezipiert und weiterentwickelt wurden. Dabei wird die Bedeutung dieser Geschichtsbilder für das kollektive Gedächtnis und die Identitätsbildung muslimischer Gemeinschaften in den Fokus gerückt. Ein besonders bedeutsamer Teilbereich ist die Ideengeschichte des Islams, die durch eine enge Verwurzelung in den klassischen Lehren sowie durch eine ständige Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Moderne geprägt ist. Hier wird der fortwährende Dialog zwischen der Bewahrung traditioneller Glaubensinhalte und der Notwendigkeit, diese an die sich wandelnden Bedingungen einer globalisierten Welt anzupassen, untersucht. In zentralen Disziplinen wie der Jurisprudenz (Fiqh), der systematischen Theologie (Kalām), der Philosophie (Falsafa) und der Mystik (Taṣawwuf) spiegelt sich dieser Austausch wider.

  • Systematische Theologie (Kalām)

    Die theologische Disziplin "Systematische Theologie und Muslimische Denominationen in Geschichte und Gegenwart" widmet sich der umfassenden Analyse der zentralen Glaubenslehren des Islams und ihrer theologischen Differenzierung sowohl in historischer als auch in gegenwärtiger Perspektive. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung der kalām-Diskurse, die sich mit den sunnitischen und schiitischen theologischen Prinzipien des Islams auseinandersetzen. Diese Reflexion erfolgt stets im Dialog mit anderen philosophischen und religiösen Weltanschauungen, um die Glaubensinhalte rational zu erklären. Fragen wie Säkularismus, Atheismus, Menschenrechte, das Verhältnis von Religion und Politik sowie die Rolle der Religion in Wissenschaft und Gesellschaft werden intensiv untersucht. Hier dient der kalām als methodischer Rahmen, um die Islamische Theologie in den Kontext aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen zu stellen und ihre Relevanz in der modernen Welt zu bewahren. Diese Auseinandersetzung erfordert eine methodische Herangehensweise, die sowohl die historische Tiefe als auch die gegenwärtigen sozialen und philosophischen Herausforderungen berücksichtigt.

    Ein bedeutender Schwerpunkt liegt auf der Erforschung der Entstehung und Entwicklung muslimischer Denominationen und der theologischen Begründungen, die zur Bildung unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften innerhalb des Islams führten. Diese Analyse bietet wertvolle Einsichten in die dynamischen Prozesse, die zur Ausdifferenzierung der Glaubenslehren beigetragen haben und die bis heute die Vielfalt des religiösen Lebens im Islam prägen. Die Forschung untersucht die historischen Prozesse, die zur Etablierung dieser Vielfalt geführt haben, und analysiert, wie diese Denominationen heute agieren und in nicht-islamischen Kontexten sowie in der globalen islamischen Gemeinschaft ihre Rolle definieren.

  • Islamische Philosophie und Ethik

    Die akademische Beschäftigung mit der islamischen Philosophie und Ethik umfasst eine umfassende Auseinandersetzung mit der Entstehung, Entwicklung und gegenwärtigen Bedeutung dieser zentralen Disziplinen der islamischen Geistesgeschichte. Dieser Bereich untersucht die Anfänge der islamischen Philosophie, beleuchtet die Schlüsselfiguren, die ihre Grundlagen legten, und analysiert die intellektuellen Strömungen, die diese Tradition prägten. Die philosophischen Ideen, die aus diesen frühen Auseinandersetzungen hervorgingen, wurden über Jahrhunderte hinweg weiterentwickelt und haben die islamische Welt in vielfältiger Weise beeinflusst. Auch wird untersucht, wie die islamische Philosophie in der modernen Zeit rezipiert und weiterentwickelt wurde und welchen Beitrag sie zu aktuellen philosophischen und theologischen Diskursen leisten kann. Dabei werden sowohl die Wiederbelebung klassischer philosophischer Ansätze als auch die Entwicklung neuer Denkrichtungen betrachtet, die auf die Bedürfnisse und Fragen der modernen islamischen Gesellschaften eingehen.

    Die islamische Ethik ist tief in den klassischen Disziplinen der Normenlehre (fiqh) und der Systematischen Theologie (kalām) verwurzelt, die die moralischen und ethischen Prinzipien des Islams formulieren. Der Bereich analysiert die traditionellen ethischen Theorien, untersucht ihre Anwendung in unterschiedlichen historischen Kontexten und reflektiert ihre Bedeutung für das heutige ethische Denken im Islam.

  • at-Taṣawwuf - Islamische Mystik

    Die theologische Beschäftigung mit der islamischen Mystik (Sufismus) widmet sich der umfassenden Analyse ihrer Entstehung, Entwicklung und gegenwärtigen Bedeutung innerhalb der islamischen Welt. Im Mittelpunkt stehen dabei zentrale Fragen, die sich mit den historischen Wurzeln, den wichtigsten Strömungen und Schulen sowie den Quellen und Ritualen der islamischen Mystik befassen. Diese Untersuchungen zielen darauf ab, ein tieferes Verständnis der islamischen Mystik als integralen Bestandteil der islamischen Tradition zu entwickeln und ihre vielfältigen Ausdrucksformen im historischen und modernen Kontext zu beleuchten.

    Ein zentraler Aspekt ist die Ergründung der Ursprünge und der historischen Entwicklung der islamischen Mystik. Dabei wird untersucht, wie sich der Sufismus aus den frühen spirituellen Praktiken des Islams herausbildete und welche philosophischen und theologischen Einflüsse seine Entstehung prägten. Die Analyse der wichtigsten Strömungen und Schulen des Sufismus, bietet Einblicke in die vielfältigen Wege, auf denen die islamische Mystik im Laufe der Jahrhunderte praktiziert und weiterentwickelt wurde. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den internen Differenzierungen und der Frage, wie diese verschiedenen Strömungen auf die spirituellen Bedürfnisse ihrer Zeit reagierten. Außerdem steht auch die Beschäftigung mit der Rolle der islamischen Mystik in der Gegenwart im Fokus. Es wird untersucht, wie sich der Sufismus heute darstellt und welche Bedeutung er in der modernen islamischen Welt hat. Dabei geht es um Fragen der Relevanz und Adaptation der mystischen Traditionen in einer globalisierten Welt, die mit neuen spirituellen und gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontiert ist. Die Untersuchung der modernen Praktiken und der Verbreitung des Sufismus in verschiedenen Regionen der Welt zielt darauf ab, zu verstehen, wie die islamische Mystik auf die Bedürfnisse der heutigen Muslim*innen eingeht und welche Rolle sie in der Erneuerung und Weiterentwicklung des islamischen spirituellen Lebens spielt.

  • Furū' al-Fiqh

    Die theologische Teildisziplin furūʿ al-fiqh beschäftigt sich mit den praktischen Anwendungsbereichen der islamischen Rechtswissenschaft und bildet damit einen essenziellen Teil des umfassenden Systems des islamischen Rechts. In Abgrenzung zum Forschungsbereich usūl al-fiqh , der sich mit den theoretischen und methodologischen Grundlagen des islamischen Rechts befasst, konzentriert sich furūʿ al-fiqh auf die konkrete Auslegung und Anwendung von Normen, die aus diesen theoretischen Grundlagen abgeleitet werden. Während usūl al-fiqh die Prinzipien erarbeitet, nach denen Normen abgeleitet werden, widmet sich furūʿ al-fiqh der Anwendung dieser Prinzipien auf spezifische Fälle, wie sie in Sammlungen von Rechtsgutachten (fatāwā) und gerichtlichen Entscheidungen dokumentiert sind.

    Im Zentrum steht die Untersuchung der Rolle des islamischen Rechts in der Praxis, insbesondere in multikulturellen und nicht-islamischen Kontexten. Ein zentraler Aspekt ist die Analyse, wie islamische Rechtsnormen und Prinzipien in europäischen und westlichen Ländern umgesetzt und interpretiert werden. Hierbei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Frage, wie sich islamische Rechtsvorstellungen in Minderheitensituationen an die rechtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen einer modernen, säkularen Gesellschaft anpassen und transformieren. Diese Forschung untersucht dabei die dynamische Wechselwirkung zwischen den islamischen Normen und den Rechtssystemen der Mehrheitsgesellschaften und zeigt auf, wie Muslim*innen ihre religiösen Pflichten in nicht-islamischen Kontexten ausüben.

    Besondere Bedeutung kommt dabei der historischen Entwicklung islamischer Rechtsnormen und der philosophischen Diskurse zu. Dabei wird reflektiert, wie traditionelle Rechtskonzepte heute neu interpretiert werden und welche innovativen Ansätze von muslimischen Gelehrten entwickelt werden, um auf aktuelle ethische und rechtliche Fragen zu reagieren.